Gesundheitsmanagement im Wandel
Was macht eine Organisation widerstandsfähig, leistungsfähig und attraktiv für Mitarbeitende? In einer Arbeitswelt, die von Veränderungsdruck, digitaler Überlastung und steigendem Fachkräftemangel geprägt ist, rückt ein Thema zunehmend ins Zentrum strategischer Entscheidungen: Gesundheit am Arbeitsplatz.
Doch was bedeutet das konkret und wie lässt sich Gesundheit nicht nur „anbieten“, sondern wirksam strategisch verankern?
In vielen Unternehmen gehört das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) mittlerweile zum guten Ton. Doch die Frage ist: Wird es als strategische Aufgabe verstanden oder als punktuelle Maßnahme?
Zwischen Rückenkurs und Resilienztraining liegt ein weites Feld
Gesundheit in Organisationen ist mehr als Fitnesskurse oder Obstkörbe. Sie beginnt bei den Rahmenbedingungen, die gesunde Arbeit nachhaltig ermöglichen: Kommunikation, Führung, Handlungsspielräume, Umgang mit Fehlern. Führungskräfte prägen diese Faktoren maßgeblich: sie sind Vorbilder, Rahmensetzer und Verstärker.
Gesundheit ist kein Add-on sondern Voraussetzung für nachhaltig gute Leistung
Klar ist: Gesunde Mitarbeitende sind kein „nice to have“, sondern ein zentraler Faktor für Stabilität, Innovationskraft und langfristigen Erfolg. Studien zeigen: Fehlzeiten durch psychische Belastungen steigen seit Jahren, ebenso wie chronischer Stress, Erschöpfungssyndrome und Fluktuation. In vielen Teams wird noch „funktioniert“, aber zu welchem Preis?
Dabei geht es nicht darum, Menschen „resilienter“ zu machen, damit sie immer mehr aushalten. Sondern darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen gesunde Selbstführung, echte Zusammenarbeit und psychologische Sicherheit überhaupt möglich sind.
Organisationen, die Gesundheit fördern, erkennen längst: Leistungsfähigkeit, Motivation und langfristige Bindung entstehen nicht von allein. Sie sind das Ergebnis eines systematischen, strategischen Gesundheitsverständnisses.
Harte Fakten zu einem oft unterschätzten Thema
- Durchschnittlich 14,8 Krankheitstage pro Jahr
- Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Gründen für Krankschreibungen
- Präsentismus (d.h. krank zur Arbeit erscheinen) verursacht doppelt so hohe Kosten wie Abwesenheit
- Ein Krankheitstag kostet schätzungsweise 150–250 Euro
Dagegen wirken Investitionen in Gesundheit nachweislich:
Sie senken Krankenstände, Fluktuation, Präsentismus und steigern Produktivität, Motivation, Arbeitgeberattraktivität.
Gesundheit braucht Struktur – nicht nur Aktionstage
Ein BGM ist dann wirksam, wenn es nicht auf Einzelmaßnahmen reduziert wird, sondern strukturell mitgedacht wird. Wenn Menschen verstehen, wie Körper und Psyche auf Belastung reagieren und welche Rolle sie selbst dabei spielen, entsteht ein ganz neuer Umgang mit Verantwortung, Leistungsfähigkeit und Selbstfürsorge.
Führung beginnt mit Selbstführung
Die zentrale Stellschraube in jedem BGM: Führung. Denn Führungskräfte prägen nicht nur Strukturen, sondern auch Atmosphäre, Haltung und Umgang mit Druck. Wer unter chronischem Stress führt, wird diesen weitergeben, ob bewusst oder unbewusst. Umso wichtiger ist es, hier anzusetzen:
- Wie kann ich als Führungskraft gesunde Grenzen wahren?
- Wie gestalte ich Meetings, in denen alle ihre Perspektive einbringen können?
- Wie erkenne ich Überlastung – bei anderen und bei mir selbst?
Gesunde Führung bedeutet nicht Schwäche, sondern Klarheit, Haltung und die Fähigkeit zur Regulation, vor allem in komplexen Führungssituationen.
Resilienz: Schlüsselkompetenz moderner Arbeitswelten
Ein zentrales Ziel nachhaltiger Gesundheitsarbeit ist die Förderung von Resilienz. Gemeint ist damit nicht nur individuelles Durchhaltevermögen, sondern die Fähigkeit von Menschen und Teams, mit Belastung, Unsicherheit und Veränderung konstruktiv umzugehen und daran zu wachsen.
Was Organisationen konkret tun können
Organisationen, die Resilienz gezielt stärken, stabilisieren nicht nur das Teamklima, sie erhöhen ihre Wandlungsfähigkeit und Zukunftssicherheit.
Ein wirksames Maßnahmenpaket zur Resilienzförderung kann z. B. beinhalten:
- Workshops zu Stressbewältigung, Achtsamkeit & Selbstführung
- Führungskräftetrainings mit Fokus auf gesunde Führungskultur
- Psychische Gefährdungsbeurteilung als strategischer Einstieg in die Gesundheitsstrategie
- Regelmäßige Teamformate zur Reflexion von Belastungen und Arbeitsklima
- Beteiligung, z. B. durch ein internes „Gesundheitspunkt“-Intranet
- Stressprävention als Teil der Unternehmenskultur – nicht erst bei Ausfall
- Gesundheitskommunikation, die ernst nimmt, was Menschen wirklich brauchen
- Zugänge zu Wissen über Stressphysiologie, hormonelle Balance, Schlaf, Ernährung, Nervensystem
Das Ziel: Gesundheit als gemeinsames Lernfeld und als Teil der Organisationskultur verstehen und nicht nur als Zusatzangebot. Organisationen, die Gesundheit nicht nur als Pflicht, sondern als strategisches Potenzial begreifen, gestalten ein Umfeld, in dem Menschen gerne arbeiten und auch in anspruchsvollen Zeiten stabil und verbunden bleiben.
Fazit: Gesundheit gestalten heißt Zukunft sichern
Gesundheitskompetenz ist ein Schlüssel für nachhaltige Leistungsfähigkeit. BGM beginnt mit einer ehrlichen Frage:
Nicht: Was bieten wir an?
Sondern: Was brauchen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
Quellen
- Artmann, T. (2019). Betriebliches Gesundheitsmanagement: Neue Erfolgsstrategien für Unternehmen. Haufe.
- Barthelmes, I., Bödeker, W., Sörensen, J., Kleinlercher, K.-M., & Odoy, J. (2019). Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention: Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2012 bis 2018 (iga.Report 40). Initiative Gesundheit und Arbeit (iga). https://www.iga-info.de/veroeffentlichungen/igareporte/igareport-40
- Chang-Gusko, O.-S., Heße-Husain, J., Cassens, M., & Meßtorff, C. (Hrsg.). (2019). Achtsamkeit in Arbeitswelten: Für eine Kultur des Bewusstseins in Unternehmen und Organisationen. Springer Gabler.
- Drath, K. (2022). Resilienz in der Unternehmensführung: Was Manager und ihre Teams stark macht (3. Aufl.). Haufe.
- Statistisches Bundesamt (Destatis). (2025). Krankenstand: Durchschnittliche Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer. Wiesbaden.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-2/krankenstand.html
Verwendete Fotos: Canva